Mit dem Unimog-Prototyp 2 im Abendkleid zur Hochzeit
Unimog-Prototyp Nummer 2 kommt im Jahr 1950 von Göppingen nach Rotenfels
Es war schon ein ganz besonderes GefĂ€hrt, das der Rotenfelser Karl Gutmann 1950 nach einem Arbeitseinsatz bei GebrĂŒder Boehringer in Göppingen in sein Heimatdorf mitbrachte: Der Prototyp Nummer 2 des Unimog, noch gebaut bei Erhard & Söhne in SchwĂ€bisch GmĂŒnd. Mit vier weiteren Kollegen war er zuvor vom Benzwerk aus in die zwischenzeitliche ProduktionsstĂ€tte der ersten 600 Unimog nach Göppingen entsandt worden, um sich dort in die Montage des Unimog einzuarbeiten. SchlieĂlich sollte der im Laufe des Folgejahres in Gaggenau gebaut werden.
Gutmann war von dem Fahrzeug so begeistert, dass er sich privat den Prototyp 2 kaufte. Schnell wurden er fĂŒr allerlei Transportaufgaben, insbesondere fĂŒr das Einbringen von BĂŒrgerholz, eingesetzt, und so entwickelte sich ein interessanter Nebenerwerb fĂŒr die Familie. Der Sohn, Karlheinz Gutmann, erinnert sich im Band 2 der âGeschichten rund um den Unimogâ: âDas GeschĂ€ft entwickelt sich gut. An einem Samstag brachten wir es oft auf 20 Ster Holz, die wir im Wald aufluden und dann zu unseren Kunden transportierten. FĂŒr das Aufladen, Transportieren und Abladen verlangten wir DM 4,50. FĂŒr mich blieben meistens noch 20 Pfennig Trinkgeld hĂ€ngen. Viel Geld damals.
Der Transport beschrĂ€nkte sich aber nicht auf Holz, es wurde auch gelegentlich Kies fĂŒr die HĂ€uslebauer oder Mist fĂŒr die Nebenerwerbs-Landwirte auf der Pritsche oder auf dem EinachsanhĂ€nger befördert.â Sonntags kamen BĂ€nke auf die Pritsche und los ging es. Ăberall erregte das Fahrzeug Aufsehen.
Nach dem Erwerb eines bereits in Gaggenau gebauten Unimog 2010 verkaufte Karl Gutmann Ende 1951 den Unimog-Prototypen 2 an Holzbau Hurrle. Ein Jahr zuvor hatten Vroni Hurrle und Friedrich Dinger geheiratet und fĂŒhrten das GeschĂ€ft.
Der Unimog brachte einen groĂen Fortschritt. Mit einem AnhĂ€nger des benachbarten AnhĂ€ngerbaus Lindner konnten zwölf Kubikmeter Holz auf einmal zur Baustelle gefahren werden.
Als 1956 zum JubilĂ€um â50 Jahre Unimogâ der Ă€lteste seiner Art gesucht wurde, war es der von Holzbau Hurrle, denn Prototyp Nummer 1 hatte zuvor einen Totalschaden. Anfang der 1960er Jahre wurde der Prototyp Nummer 2 bei der Anschaffung eines leistungsfĂ€higeren Unimog in Zahlung gegeben. Heute stehen im Deutschen Landwirtschaftsmuseum Stuttgart-Hohenheim der Prototyp Nummer 5 und im Unimog-Museum der Prototyp Nummer 6.
Holzbau Hurrle hat wieder einen Unimog!
Hellauf begeistert war Vroni Hurrle, als sie hörte, dass jetzt wieder ein Unimog auf dem BetriebsgelĂ€nde von Holzbau Hurrle zum Einsatz kommt. Dabei erinnert sie sich, dass es auch privat ein GlĂŒcksfall war, einen Unimog zu besitzen, denn Personenwagen waren Anfang der 1950er Jahre Mangelware. Wie Karl Gutmann hatte auch ihr Mann SitzbĂ€nke angefertigt und so wurden Ausfahrten â im Winter insbesondere zum Skifahren â gemacht. Und schmunzelnd ergĂ€nzt sie: âWir sind mit dem Unimog auch einmal zu einer Hochzeit nach Lauf gefahren â ich mit einem Abendkleid!â
Mitte August 2020 wurde der Fuhrpark von Holzbau Hurrle im Ottenauer Pionierweg um einen Unimog 1400, Baujahr 1995, erweitert. Damit knĂŒpft der Inhaber Simon Baumann ganz bewusst an eine besondere Tradition an, denn der allererste Unimog in Gaggenau, der Prototyp Nummer 2, lief bereits 1951 in diesem Betrieb.
2019 waren Holzbau Hurrle und Rollandenbau Hurrle aus den beengten rĂ€umlichen VerhĂ€ltnissen in der Gaggenauer ViktoriastraĂe in den Pionierweg nach Ottenau umgezogen. âEin richtiger Schritt, den wir nie bereut haben!â, so Simon Baumann heute. Statt 3.500 stehen jetzt 5.500 Quadratmeter mit einer besseren Verkehrsanbindung zur VerfĂŒgung. Da sich auch hier immer wieder die Aufgabe stellte, langes Holz mit einem möglichst kurzen Zugfahrzeug zu transportieren, hatte Baumann die Idee, auch aus historischen GrĂŒnden das Angenehme mit dem NĂŒtzlichen zu verbinden. âWenn wir wieder am Ende einen Unimog auf dem Hof hĂ€tten, wĂ€re das coolâ dachte sich Baumann, und begab sich auf eine intensive Suche nach dem am besten geeigneten Unimog. Gefahrene Kilometer, Baujahr, Leistung, Zustand und natĂŒrlich auch der Preis waren dabei die wesentlichen Entscheidungskriterien. Letztlich empfahl ihm ein renommierter Unimog-HĂ€ndler, einen gut gepflegten Unimog 1400 mit 136 PS zu nehmen und stellte ein Fahrzeug zur Probe auf den Hof. Schnell war klar, dass ein Fahrzeug in dieser Art genau das Richtige wĂ€re.
Aus dem frĂŒheren Bestand der Bundeswehr wurde ein Unimog mit nur 80.000 gefahrenen Kilometern in gepflegtem Zustand ausgewĂ€hlt, der zuvor als Flugzeugschlepper im Einsatz war. FĂŒr sein âzweites Leben im zivilen Bereichâ erhielt der Unimog fĂŒr seine besonderen Transportaufgaben unter anderem vorne und hinten ein Zugmaul und Ballast auf die verkĂŒrzte Pritsche. Und natĂŒrlich wurde das Oliv in die Firmenfarbe WeiĂ umlackiert.
Damals wie heute begeistert der Unimog durch seine enorme Zugkraft. Heute zieht er bis zu  24 Tonnen. Hatte der kleine Unimog-Prototyp nur 25 PS, so sind es heut mehr als fĂŒnfmal soviel.
Michael Wessel am 29. August 2020 im Badischen Tagblatt
Ăbrigens: Die BĂ€nde 1 und 2 der “Geschichten rund um den Unimog” sind zum Sonderpreis von 10 Euro im Unimog-Museum oder ĂŒber www.buchundbild.de zu haben. Der hier zitierte Band 2 ist schon einige Jahre vergriffen.