- 05.06.2018, 12:20
#520966
Hallo Stefan,
wir reden hier über Bremsanlagen, daher mein Hinweis vorab, Veränderungen der Bremsanlage führen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Die Betriebserlaubnis kann durch Einzelabnahme wieder erreicht werden.
Jetzt zur Fahrphysik. Der 411er verfügt über keine Einrichtung, die die Bremskraft auf VA und HA verteilt. Die Verteilung ist fix und wird über die RBZ Kolbenflächen festgelegt. Der HBZ erzeugt durch Pedalkraft den Bremsdruck, der abgesehen von Leitungsverlusten auf die RBZ wirkt. Druck mal Fläche ergibt die Kraft, mit der die Reibbeläge angedrückt werden.
Es muss immer sichergestellt sein, dass die VA zuerst überbremst (blockiert). Anschließend kann auch die HA überbremsen, aber dann sind alle Räder blockiert und die übertragbare (Verzögerungs-)Kraft zwischen Rad und Straßenbelag kann nicht weiter gestreigert werden. Treten in diesem Zustand weitere Kräfte, z.B. Seitenkräfte auf, können diese nicht übertragen werden und das Fahrzeug weicht der Kraft aus (rutscht weg). Bestehen aber an einem Rad noch Reserven, um Seitenkräfte zu übertragen (d.h. der Kraftschluss ist noch nicht voll erreicht) dreht sich das Fahrzeug um diesen Radaufstandspunkt. Gleiches gilt auch, wenn ein Reifen in der Bankette einsinkt und durch Formschluss mit dem weichen Boden noch zusätzliche Kräfte übertragen kann. In diesem Fall kann es auch zum Kippen kommen
Wichtig für eine starke Verzögerung ist der Reibkoeffizient zwischen Rad und Bodenbelag und die Radaufstandskraft. Den Bodenbelag kannst du nicht beeinflussen. Hier geht es nur über die Gummimischung und das Profil. Sehr harte alte Reifen bremsen nicht sehr gut. Die Radaufstandskraft kannst du nur durch Beladen beeinflussen. Inwieweit das Mitschleppen von Ballast Sinn macht, musst du selbst entscheiden.
Bei der Bremse ist das Wesentliche konstruktiv vorgegeben. Hier ist auf die Leichtgängigkeit der Bremstägergelenke zu achten und der Belag darf nicht verölt sein. Öl, welches in den Belag eingedrungen ist, reduziert den Reibkoeffizienten. Gleiches gilt für alte verglaste Reibbeläge. Die Schläuche sollten nicht zugequollen oder verstopft sein und die Kolben im RBZ gut laufen. Kein Bremsrohr sollte zusammengedrückt sein. Das passiert gerne, wenn die Rahmengummis auf die Achse schlagen und das Bremsrohr aufgrund falscher Verlegung dazwischen liegt oder Fahrzeuge mit Spanngurten über die Achsen beim Transport gesichert werden. Ist alles auf Stand, dann erreicht auch ein 411er seine erforderliche Bremsleistung.
Die Bremsanlage des 411ers wird aufgrund des einfachen Aufbaus aber nicht an ein modernes Scheibenbremssystem heranreichen.
Ein BKV ändert an dem Aufbau der reinen Bremsanlage nichts. Er verändert nur das Verhätnis von Pedalkraft zu hydraulischem Druck in der Anlage. Es muss also nicht so kräftig für höhere Bremsdrücke auf das Pedal getreten werden, das übernimmt der pneumatische Teil (Über-oder Unterdruck). Eine Erhöhung des maximalen Bremsdrucks ist damit nicht beabichtigt, um die maximal zulässigen Werte nicht zu überschreiten. Ein BKV kann sinnvoll sein, wenn durch die Beinkraft nicht die maximale Pedalkraft (und damit der maximale Bremsdruck) erreicht werden kann. Ansonsten sollte die Maximalkraft mit einem kräftigenTritt erreicht werden.
Bei deinem Vorhaben entstehen unterschiedliche Schluckvolumina an den RBZ. Ob diese der HBZ ohne Pumpen bei einem Pedaltritt liefern kann, müsste man ausrechnen. Vom Raumangebot könnten die RBZ passen, die Befestigung am Vorgelegegehäuse wäre zu überprüfen.
Mein Rat, bringe die Bremsanlage auf den erforderlichen technischen Stand, dann kannst du die maximale Verzögerung, die die Unimog-Konstrukteure vorgesehen haben, auch abrufen.
Gruß
Markus
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Gruß
Markus
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