@Torsten: naja, Ahnung habe ich eigentlich nicht, ich kann nur das wiedergeben, was ich aus Fachbüchern und technischen Informationen der Ölhersteller gelesen habe.
Aber da ich ja ein unheimliches Mitteilungsbedürfnis habe und dieser Thread hohe Zugriffszahlen aufweist, das Thema also offenbar immer wieder von Interesse ist, kann ich euch ja noch ein bisschen zumüllen:
Als der Unimog entwickelt wurde, also vor fast 60 Jahren, war sowohl die Werkstoffgüte der Bauteile als auch die Qualität der Schmieröle bei weitem nicht so hochentwickelt wie heute. Die Getriebe wiesen deshalb relativ große Zahnräder auf, die entsprechend große Kontakflächen haben. Diese großen Kontakflächen bewirken einen relativ geringen Druck pro Flächeneinheit (Flächendruck). Solche Getriebe waren natürlich recht anspruchslos was die Wahl der Schmierstoffe angeht. Diverse Unimog Modelle (u.a. 406) wurden ja bis in die 90-er Jahre mit nahezu unveränderten Getrieben gebaut. Es ist deshalb leicht einsehbar, dass grundsätzlich alle am heutigen Markt erhältlichen Getriebeöle die qualitativen Schmierstoffanforderungen des Unimog erfüllen bzw. sehr sehr weit übertreffen.
Im Laufe der vergangenen 50 Jahre wurden, insbesondere für PKW, Getriebe mit immer kleineren Zahnrädern gebaut, die immer höhere Motorleistungen und immer höhere Drehzahlen aushalten mussten. Die Summe aus der Zahnradverkleinerung (also Verkleinerung der Kontaktflächen) und der Leistungserhöhung führt zu einem geradezu explosionartigen Anstieg der auftretenden Flächendrücke. Unter Einberechnung der gleichzeitig gestiegenen Drehzahlniveaus und dem damit verbundenen Wegschleudern des Öls von den Kontakflächen der Zahnräder ist leicht vorstellbar, wie stark sich heutige Getriebeöle von den Getriebeölen vor 50 Jahren unterscheiden müssen. Nebenbei wird heute auch noch eine Laufleistung von 300.000 km mit einer Getriebeölfüllung verlangt...
Verbunden mit dieser technischen Entwicklung ist aber leider auch eine starke Spezialisierung der Öle für bestimmte Einsatzzwecke, für bestimmte Getriebebauarten, oder sogar für bestimmte Fahrzeughersteller oder gar Fahrzeugtypen. Viele Ölhersteller haben deshalb ein ganzes Dutzend verschiedene Getriebeöle allein nur für PKW im Klassifikationsbereich GL 4 bis GL 5 im Programm.
Als der Unimog auf den Markt kam, entsprach das Öl für das Schaltgetriebe etwa der Klassifikation GL 1, später GL 3. In die Achsen kamen Öle der Klassifikation GL 2 oder GL 3. Solche Öle gibt es heute auf dem Automotiv Sektor nicht mehr zu kaufen.
In das Schaltgetriebe eines herkömmlichen Unimog könnte man also irgendein beliebiges GL 3 Öl oder GL 4 Öl einfüllen. Öle höherer Klassifikationen, also GL 4/5 Kombiöle oder reine GL 5 Öle, sind für modernere Fahrzeuge entwickelt worden und können, wie schon weiter oben im Thread gesagt, im Unimog Getriebe zu Materialverträglichkeitsproblemen oder zu Schaltschwierigkeiten führen.
Und in die Achsen des Unimog (also Differential und Vorgelege) könnte man, da Materialunverträglichkeiten nicht zu erwarten und Synchronringe nicht vorhanden sind, eigentlich jedes beliebige Öl aus dem Klassifikationsbereich GL 3, GL 4, GL 5 oder beliebige Kombiöle einfüllen.
Der (alte) Unimog benötigt also eigentlich keine modernen Getriebeöle; aber man kann sich die Vorzüge der modernen Getriebeöle ja gleichwohl zu nutzen machen. Und das wären insbesondere eine deutliche Verringerung der Zahnflankenreibung (das können GL 5 Öle) oder eine deutliche Verbesserung der Fließeigenschaften im kalten Zustand (das können alle synthetischen Öle), oder eine Reduzierung der Getriebetemperatur trotz hoher Belastung und trotz hoher Außentemperatur (auch das können synthetische Öle auf Grund ihrer geringeren inneren Reibung).
Aus der Vielzahl der angebotenen Getriebeöle gibt es einige Sorten, die für den Unimog optimal wären und die praktisch von allen Herstellern angeboten werden:
Für das Schaltgetriebe wäre das ein synthetisches Öl der Klassifikation GL 4 (oder GL 3/4) und der Viskositätsklasse 75W-85, oder wenn man auch mal in wärmeren Regionen unterwegs ist, 75W-90.
Und für Differentiale und Achsvorgelege wäre das ein synthetisches Öl der Klassifikation GL 5 und der Viskositätsklasse 75W-90.
Aber wie gesagt ist das alles nicht bindend. Solange keine Materialunverträglichkeiten oder durchrutschende Synchronringe auftreten, könnte in den anspruchlosen und überdimensionierten Antriebsstrang des alten Unimog eben jedes beliebige Getriebeöl gekippt werden...
Gundo
P.S. Ich kann es mir nicht verkneifen: das von Franz als "Stand der Technik" beworbene Shell Spirax MX 80W-90 GL 4-5 ist ein mineralisches Universalöl für Bau- und Landmaschinen. Dieses Öl wird auch von DEA unter der Bezeichnung DEAGEAR MZ 80W-90 angeboten. Es handelt sich um ein relativ
preisgünstiges Öl, welches zur
Sortenvereinfachung im Landmaschinenbereich auf den Markt gebracht wurde und als
Ersatz für alle GL 4 und GL 5 Einsatzzwecke verwendet werden kann. Es ist kein synthetisches Öl, es hat im kalten Zustand eine relativ hohe Grundviskosität (169 mm²/S bei 40°C), die etwa einem SAE 85 Einbereichsöl entspricht, und es ist deshalb (zumindest von DEA) ausdrücklich nicht für PKW-Schaltgetriebe freigegeben. Auch im Unimoggetriebe ist dieses Öl für winterliche Temparaturen schlicht zu dickflüssig, es kann u.U. zu verschlechterter Synchronisation führen, und es bewirkt eben keine Absenkung der Getriebetemperaturen im Hochlastbereich (weil es eben kein synthetisches Öl ist)

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