Vor genau 75 Jahren rollte der erste Unimog zu einem Kunden in der NĂ€he von Stuttgart. Das Fahrzeug entstammte der Serienfertigung des Maschinenbau-Unternehmens GebrĂŒder Boehringer im schwĂ€bischen Göppingen. Die Auslieferung des Premierenfahrzeugs erfolgte am 19. MĂ€rz 1949 durch die Unimog-Generalvertretung Kloz in Fellbach, nur wenige Monate nach Aufnahme der Produktion. Dies war der Startschuss fĂŒr die inzwischen 75-jĂ€hrige internationale Erfolgsgeschichte des Universal-Motor-GerĂ€ts, kurz: Unimog.
Der erste Serien-Unimog aus der Baureihe 70200 mit der Fahrgestellnummer 003, der das stilisierte Ochsenkopf-Logo von Boehringer auf der Haube trug, ging an einen Kunden in HöĂlinswart. Die beiden Unimog mit den Nummern 001 und 002 wurden als Erprobungsfahrzeuge nur fĂŒr interne Zwecke gebaut und gelangten nicht in den Handel. Das Fahrzeug vereinte erstmals die VorzĂŒge von Schlepper, GerĂ€tetrĂ€ger und Lkw und unterschied sich nicht nur optisch, sondern auch durch seine vielseitige Einsatzmöglichkeiten deutlich von den konventionellen Traktoren, die damals am Markt verfĂŒgbar waren.
Innerhalb kĂŒrzester Zeit war die Nachfrage nach dem vielseitig einsetzbaren Unimog im weitgehend zerstörten Deutschland der Nachkriegszeit so groĂ, dass die ProduktionskapazitĂ€t von Boehringer rasch an ihr Limit geriet. Der Siegeszug des Unimog wurde ab Herbst 1950 unter der Regie der damaligen DaimlerâBenz AG fortgesetzt. Die Produktion des Allrad-Fahrzeugs erfolgte ab Juni 1951 im Werk Gaggenau und ab August 2002 im Werk Wörth. Heute ist der GelĂ€ndegĂ€nger und GerĂ€tetrĂ€ger mit der langen Tradition nicht nur weit bekannt, sondern auch ein hochmodernes Fahrzeug, das unter anderem in Kommunen, bei Feuerwehren, im Katastrophenschutz, in der Landwirtschaft und im militĂ€rischen Bereich eingesetzt wird.
Stationen der Traditionsmarke Unimog: Geschichte einer Legende und wie alles begann
Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann Albert Friedrich, technischer Leiter bei der Gold- und Silberwarenfabrik Erhard & Söhne in SchwĂ€bisch GmĂŒnd und zuvor Leiter der Flugmotoren-Konstruktion von DaimlerâBenz, mit der Entwicklung einer kompakten Allrad-Arbeitsmaschine mit vier gleich groĂen RĂ€dern und einer Motorleistung von 25 PS. Vorgesehen war sie in erster Linie fĂŒr den landwirtschaftlichen Einsatz, darĂŒber hinaus auch fĂŒr den Einsatz als stationĂ€re Antriebsmaschine und Lieferfahrzeug fĂŒr die Agrarwirtschaft mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h. Diese frĂŒhen Ăberlegungen mussten den strengen Kriterien des Morgenthau-Plans in der amerikanischen Besatzungszone entsprechen, mit dem Deutschland zum reinen Agrarstaat umgebaut werden sollte.
Aus dem Herbst 1945 stammen die ersten Zeichnungen Friedrichs fĂŒr eine solch vielseitige Agrar-Allround-Arbeitsmaschine mit einer Spurweite von1.270 Millimetern, was exakt zwei Kartoffelreihen entsprach. Weitere charakteristische Merkmale waren das Faltverdeck und eine umklappbare Frontscheibe sowie ein Antrieb fĂŒr landwirtschaftliche GerĂ€te vorn, eine Zugeinrichtung hinten und eine HilfsladeflĂ€che auf der Pritsche hinter dem Fahrerplatz. Zur Realisierung dieses Konzepts sammelte Friedrich ein engagiertes Team von Entwicklern um sich, unter anderem seinen ehemaligen Mitarbeiter Heinrich RöĂler, der zuvor auch in der Pkw- und Motoren-Entwicklung von DaimlerâBenz beschĂ€ftigt gewesen war. Die Sache passt: RöĂler schlĂ€gt sich seit Kriegsende als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft durch, kann daraus viele Erfahrungen einflieĂen lassen und wird zum Chefkonstrukteur des ersten Prototyps.
400 Reichsmark war damals das Einheitsgehalt fĂŒr die beteiligten Ingenieure. Der Lederwarenfabrikant Franz Catta unterstĂŒtzte die Entwicklungsarbeiten finanziell. In âGeschichten rund um den Unimogâ, herausgegeben von Michael Wessel, dem langjĂ€hrigen Vorsitzenden des Unimog-Clubs Gaggenau, erinnert sich der zum Entwicklerteam gehörende Hans Zabel an die UmstĂ€nde der Geburtsstunde des Unimog: âUm jedoch sofort anfangen zu können, haben wir zur Soforthilfe gegriffen und aus eigenen Mitteln 25.000 Reichsmark aufgebracht. Alle waren wir unter der Woche von zu Hause getrennt und wohnten in bescheidenen Privatquartieren. Daher gab es auch keine bestimmte Arbeitszeit. Sie betrug pro Tag mindestens 12 Stunden, manchmal auch bis 18 Stunden â natĂŒrlich ohne zusĂ€tzliche Bezahlung.â
Bereits im SpĂ€therbst des Jahres 1945 wurde die Genehmigung der amerikanischen Besatzungsmacht, die seltene âProduction Orderâ, fĂŒr das Friedrichâsche âMotorgetriebene UniversalgerĂ€t fĂŒr die Landwirtschaftâ erteilt. Weil Heinrich RöĂler das neuartige Fahrzeugkonzept danach umfangreich ĂŒberarbeitete, musste sie ein halbes Jahr spĂ€ter erneuert werden, bevor gebaut werden durfte. Friedrich gewann Erhard & Söhne als Partner fĂŒr die Prototypen-Produktion, den Motor OM 636 lieferte DaimlerâBenz zu. Schon 1946 wurde in SchwĂ€bisch GmĂŒnd der erste Prototyp fertiggestellt und am 9. Oktober des gleichen Jahres fand die erste Probefahrt mit dem U 1 statt. Eine intensive Erprobungsphase begann.
Noch vor der ersten öffentlichen PrĂ€sentation kĂŒrzte Hans Zabel die sperrige Bezeichnung âUniversal-Motor-GerĂ€tâ mit dem Akronym âUnimogâ ab. Unter diesem eingĂ€ngigen Namen wurde das Fahrzeug am 29. August 1948 auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Frankfurt am Main erstmals der Ăffentlichkeit prĂ€sentiert und heimste dort auf Anhieb 150 Vorbestellungen ein.
1949: industrielle Fertigung beginnt bei GebrĂŒder Boehringer in Göppingen
Die Serienfertigung des Unimog begann 1949 bei GebrĂŒder Boehringer in der âStauferstadtâ Göppingen am Rande der SchwĂ€bischen Alb, nachdem Maschinenfabrikant Rolf Boehringer von Erhard & Söhne die Herstellung des Universal-Motor-GerĂ€ts ĂŒbernommen hatte. Ohne FlieĂband und gröĂtenteils in Handarbeit bauten die etwa 90 Mitarbeiter bis zu 50 Fahrzeuge im Monat. Insgesamt 600 Unimog Einheiten der Baureihe U 70200 wurden von Boehringer hergestellt, darunter 44 Einheiten fĂŒr die Schweizer Armee. Dies bestĂ€tigte die Eignung des bisher ausschlieĂlich landwirtschaftlich genutzten Unimog auch fĂŒr andere Bereiche, in denen ein wachsendes Interesse an diesem auĂergewöhnlichen Fahrzeugkonzept bestand. Zwei dieser Ur-Unimog aus der Boehringer-Produktion sind im Unimog Museum Gaggenau ausgestellt: Der Prototyp U 6, der zweitĂ€lteste erhaltene Unimog und ein Unimog aus der ersten Serie vom Baumuster 70200.
1950: Daimler-Benz AG ĂŒbernimmt die Produktion des Unimog
Da die nachgefragten StĂŒckzahlen hohe Investitionen erforderlich machten, erwarb die DaimlerâBenz AG im Herbst 1950 das Unimog-GeschĂ€ft mit allen Patenten und Fertigungseinrichtungen â einschlieĂlich des Entwicklungsteams und der neu aufgebauten Vertriebsmannschaft. Auf einem zweiseitigen Dokument wurde die Ăbernahme in fĂŒnf Punkten vertraglich festgehalten und ein Kaufpreis von 600.000 D-Mark vereinbart. RĂŒckblickend ein SchnĂ€ppchen und ein SchriftstĂŒck, ĂŒber das Juristen heutzutage den Kopf schĂŒtteln wĂŒrden. Die beiden UrvĂ€ter des Fahrzeugs wechselten ebenfalls zu Daimler-Benz: Albert Friedrich war bis 1958 als technischer Leiter fĂŒr den Unimog verantwortlich und Heinrich RöĂler, Chefkonstrukteur des Unimog bei Boehringer, blieb in dieser Funktion bis 1976 bei MercedesâBenz in Gaggenau.
Im Werk Gaggenau begann Mitte 1951 die Fertigung des Unimog mit der Baureihe 2010 â eine Anspielung auf die Kostenstelle 2010 der landwirtschaftlichen Abteilung bei Erhard & Söhne, wo die ersten Prototypen entstanden. 1953 wurden mit den Baureihen 401 und 402 zahlreiche Weiterentwicklungen realisiert: Erstmals ergĂ€nzte nun ein geschlossenes, stoĂ- und schlagsicheres Ganzstahl-Fahrerhaus die bisherige âCabrioâ-Kabine mit Faltverdeck. Sie machte die Arbeit der Fahrer wĂ€hrend der Fahrt deutlich sicherer und schĂŒtzte sie besser, beispielsweise beim Einsatz auf Baustellen. Ab Mai 1953 trug der Unimog dann den MercedesâStern zusĂ€tzlich zum bisherigen Ochsenkopf-Symbol, das erst im September 1955 endgĂŒltig entfiel. Seitdem wurde der Unimog permanent weiterentwickelt, verbessert und dabei stets an aktuelle Anforderungsprofile angepasst.
Viele Merkmale Àndern sich, die Grundkonstruktion bleibt gleich
Ăber mehr als sieben Jahrzehnte hat sich der Unimog als vielseitig einsetzbare Arbeitsmaschine bewĂ€hrt. Seit der ersten Auslieferung im Jahr 1949 sind bis heute ĂŒber 375.000 Unimog vom Band gerollt. Kein Wunder: Der Unimog meistert extremes GelĂ€nde, zieht als Zweiwege-Fahrzeug auch auf der Schiene ganze GĂŒterzĂŒge und besitzt An- und AufbaurĂ€ume fĂŒr den Betrieb einer Vielzahl von GerĂ€ten.
Geblieben ist sein Grundkonzept: vier gleich groĂe RĂ€der, Rahmenbauweise wie beim Lkw, eine hohe GelĂ€ndegĂ€ngigkeit durch Portalachsen mit Schraubenfedern, Allradantrieb mit Differenzialsperren vorne und hinten, kompakte Abmessungen mit vier An- und AufbaurĂ€umen und die Möglichkeit zum Antrieb von An- und AufbaugerĂ€ten vorn, in der Mitte, seitlich und hinten sowie den Betrieb einer Zapfwelle vorn, in der Mitte und hinten. Dazu kommt die vergleichsweise hohe Geschwindigkeit von damals 50 und heute bis zu 89 km/h, die auch lĂ€ngere Strecken auf der Autobahn ermöglicht.
Up to date: die aktuellen Unimog Baureihen
Die Unimog GerĂ€tetrĂ€ger U 219 bis U 535 zeichnen sich auf der StraĂe, im engen Stadt- und Baustellenverkehr und im GelĂ€nde durch sehr kompakte Abmessungen, viele Schnittstellen, moderne Bediensysteme, ganzjĂ€hrige Nutzung, wirtschaftlichen Betrieb, hohe Ergonomie und Sicherheit aus. Mit hydrostatischem Fahrantrieb, der Hydrofeder zur Absenkung und Stabilisierung des Rahmens und der KompatibilitĂ€t mit zahlreichen GerĂ€te- und Aufbauherstellern liegt der Schwerpunkt des GerĂ€tetrĂ€gers im kommunalen Bereich und ĂŒberall, wo ein zuverlĂ€ssiger GerĂ€teeinsatz und vor allem die Kombination mehrerer GerĂ€te an einem Fahrzeug erforderlich ist.
Im Rahmen des Projekts âWaVeâ ist seit 2023 der erste Unimog GerĂ€tetrĂ€ger-Prototyp mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor (WaVe) im intensiven Testeinsatz. Die Entwickler haben das Fahrzeug bereits an öffentlichen Tankstellen betankt, haben Steigungs- und Beschleunigungsfahrten erfolgreich abgeschlossen und die LeistungsfĂ€higkeit im MĂ€heinsatz geprĂŒft. Sie erörtern dabei, ob und inwiefern der Wasserstoff-Verbrennerantrieb als sinnvolle ErgĂ€nzung zu batterieelektrischen und brennstoffzellenbasierten Antriebsvarianten dienen kann.
Ist eine extreme GelĂ€ndegĂ€ngigkeit als Top-PrioritĂ€t gefragt, kommt die hochgelĂ€ndegĂ€ngige Unimog Baureihe mit Ganzstahlfahrerhaus ins Spiel. Ob Bauwirtschaft, Feuerwehr, Katastrophenschutz oder Expedition: Die hochgelĂ€ndegĂ€ngigen Unimog Baureihen U 4023 und U 5023 bringen Mannschaft, AusrĂŒstung, Material und schweres GerĂ€t dank Allradantrieb und extremer VerwindungsfĂ€higkeit möglichst sicher und schnell an noch so entlegene Einsatzorte in unwegsamem GelĂ€nde.
Mit diesen beiden Baureihen deckt der Unimog ein breites Einsatzspektrum ab. Eine Grundvoraussetzung, um auch in den nÀchsten Jahrzehnten bepflanzte FlÀchen zu bewÀssern, Loks auf Gleisen zu rangieren, WaldbrÀnde zu bekÀmpfen und in Fluten Menschenleben zu retten.